Grüne Stadtteilgruppe bei Medinetz e.V. und kargah e.V.

  • Veröffentlicht am: 11. März 2020 - 17:59

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Handabdrücke auf grobgewebtem Stoff
Besuch bei Medinetz Hannover e.V. und kargah e.V.

Am Montag, den 09.03.2020 konnte sich die Grüne Stadtteilgruppe Linden-Limmer ein Bild von Medinetz Hannover e.V. und kargah e.V. direkt vor Ort in den Räumlichkeiten des Faust-Geländes machen.

Medinetz Hannover e.V.

Medinetz ist ein seit 1998 aktiver Verein, der sich für das Menschenrecht auf medizinische Versorgung für Menschen ohne Papiere und ohne Krankenversicherung einsetzt, unabhängig von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Religion und Aufenthaltsstatus.

Asylsuchende und nicht gemeldete Migrant*innen haben in Deutschland zwar Anrecht auf eingeschränkte medizinische Versorgung, müssen einen Krankenschein aber beim zuständigen Sozialamt beantragen, welches die Daten an die Polizei oder Ausländerbehörde weitergibt, woraufhin den Betroffenen die Abschiebung droht. Darum möchte der Verein in diesen Fällen Betroffenen zur Seite stehen, sie anonym an kooperierende Ärzt*innen vermitteln, finanziell bei Behandlungen unterstützen, aufenthaltsrechtliche Beratung anbieten und die Öffentlichkeit durch politische Arbeit über ihre Arbeit informieren.

Der Verein wird vollständig durch Ehrenamtliche betrieben, die fast ausschließlich Medizin studieren oder bereits als Ärzt*innen praktizieren. Sie haben gemeinsam ein Konzept entwickelt, mit dem sie möglichst vielen Menschen medizinische Versorgung zukommen lassen können, ohne dass diese einer Versorgung zweiter Klasse ausgesetzt sind. Dies bedeutet, dass die medizinische Behandlung von Menschen ohne Papiere oder Krankenversicherung in das bereits bestehende Gesundheitssystem integriert werden soll. Aktuell können sich Menschen unter einer Telefonnummer melden oder zu festen Sprechzeiten den Verein aufsuchen und werden dort an kooperierende ärztliche Praxen und im Ernstfall an Krankenhäuser vermittelt. 2019 konnte 120 Menschen durch Medinetz geholfen werden, doch es ist eine stärker steigende Personenzahl als Spendeneinnahmen zu erwarten. Dadurch wird die Lage des Vereins schwieriger. Am häufigsten werden psychische Erkrankungen und Schwangerschaften verzeichnet.

Wechselnde Finanzierungen tragen den Verein zurzeit. Aktuell hat der Integrationsfonds der Region Hannover überbrückend Geld zur Verfügung gestellt. Ein großer Teil des Geldes kommt überdies durch Spenden von Privatpersonen zusammen.

Aktuell ist der Verein vor einige Herausforderungen gestellt.

Darum benötigt der Verein für seine Arbeit:

  • Sichere Finanzierung
  • Zugang muss niedrigschwellig bleiben ohne Angst vor Abschiebung
  • Mehr aufenthaltsrechtliche Beratung
  • Entscheidung über Leistungsempfang muss bei Ärzt*innen liegen (zurzeit ist der Behandlungsumfang an den aktuellen Kontostand des Vereins gebunden)
  • Programm muss erweitert werden
  • Freie Ärzt*innenwahl
  • Bestenfalls sollte das Konzept von Medinetz e.V. institutionalisiert und damit der Verein abgeschafft werden können
  • Beschränkung zurzeit auf Hannover und Göttingen -> Ausweitung dringend nötig
  • Bürokratische Hürden sollten abgebaut werden (Bsp.: Für weitere Gelder durch das Land muss dem Landtag ein Evaluationsbericht vorgelegt werden, was aber durch spätere medizinische Abrechnung erschwert wird). Es fehlt hier zum einen am politischen Willen, zum anderen geht viel wertvolle Zeit durch Bürokratie zur finanziellen Absicherung verloren
  • Bestehende Strukturen könnten genutzt werden, um das Konzept von Medinetz in diese zu integrieren

Kargah e.V.

Kargah ist ein Verein für interkulturelle Kommunikation, Migrations- und Flüchtlingsarbeit, der seit vielen Jahren ein breit gefächertes Programm anbietet von Sprachkursen, einer mehrsprachigen Bibliothek und Sprachmittlungsdiensten über die Frauenberatung SUANA bis hin zu Geflüchtetenberatung und bedarfsorientierte Bildungs-, Qualifizierungs-, Beratungs- und Kulturangebote für Geflüchtete und Migrant*innen.

Die Finanzierungslage ist prekär. Auch wenn zurzeit 70-80 Menschen in verschiedenen Beschäftigungsformen für den Verein arbeiten, sind die Stellen befristet und projektgebunden. Um die Stellen zu erhalten, muss der Verein jährlich enormen Bürokratieaufwand betreiben, und dennoch fallen viele Stellen weg. Dies macht es für den Verein schwer, an qualifizierte Mitarbeiter*innen zu gelangen, die sich sichere Arbeitsplätze wünschen. Die viele Arbeit an Berichten, Dokumentationen, Anträgen etc. bleibt unbezahlt, wodurch wiederum Zeit für mehr konkrete, eigentliche Arbeit im Verein fehlt. Das sehr umfangreiche und gut durchdachte Programm des kargah e.V. ist nur durch den Einsatz sehr vieler ehrenamtlicher Helfer*innen möglich, die ebenso ständig zur weiteren Unterstützung gesucht werden.

Darum fordert der Verein:

  • Stabile Finanzierung
  • Anerkennung und Wertschätzung für kargah e.V.
  • Aufstockung der Stellen, administrative Unterstützung
  • Zwei Hausmeister*innen für das große Gelände bei der Faust

Hier könnte der Verein beispielsweise Hilfe gebrauchen:

  • Unterstützung für das Geflüchtetenbüro
  • Hausaufgabenbetreuung
  • Helfer*innen bei der Wohnungssuche
  • Tandem-Aktivitäten

Fazit aus den Besuchen

Nach dem Besuch bei Medinetz Hannover e.V. sowie kargah e.V. bleiben viele Eindrücke, neue Informationen und Bewunderung für die starke Arbeit der Vereine in den Köpfen. Es ist mehr als deutlich geworden, dass die Vereine dringend eine stabile Finanzierung unabhängig von aktuellen politischen Regierungen brauchen. Bürokratisch aufwendige Prozesse verursachen viel Aufwand für die meist ehrenamtlich Beschäftigten. Kargah und Medinetz leisten einen großen Beitrag zur Integration, nicht nur hier in Linden.

In diesem Kontext ist die Geschichte unseres Bezirks Linden-Limmer zusätzlich interessant, da er schon immer durch Einwanderung geprägt war, wie beispielsweise im Zuge der Industrialisierung, als sich Menschen hier zur Arbeit in den Fabriken ansiedelten. Die vielen Einflüsse prägen das Stadtteilbild bis heute und machen Linden-Limmer zu dem unverwechselbaren, lebenswerten Bezirk, der er ist.

Wir möchten uns sehr herzlich bedanken für das herzliche Willkommen, die gemeinsame Zeit und die vielen Informationen zur Arbeit von Medinetz und kargah und hoffen, auch zukünftig in Kontakt zu bleiben, um uns für den Erhalt und eine verbesserte Lage der Vereine einzusetzen.