Für eine aktive Beteiligungskultur

  • Veröffentlicht am: 2. Februar 2013 - 19:20

Protestieren, aber wie? Kontroverse im Bezirksrat Linden-Limmer.

In der Sitzung des Bezirksrates Linden-Limmer am 30.01. wurde heftig über einen Antrag der CDU-Fraktion diskutiert. Ziel dieses Antrages war es, eine Resolution zu verabschieden, in der alle Politikerinnen und Politiker, gesellschaftlichen Gruppen, Vereine und Verbände in Linden-Limmer aufgefordert werden, "zur Durchsetzung ihrer Ziele und Verbreitung von Meinungen die demokratisch rechtsstaatlichen Grundsätze zu achten und jeglichen Protest gewaltfrei und ohne das Begehen von Straftaten auszutragen".

Die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen im Bezirksrat Linden-Limmer hat in der Sitzung einen Antrag auf Nichtbefassung eingebracht, weil sie es auf der einen Seite nicht für notwendig hält, etwas völlig Selbstverständliches zu fordern – in unserer Demokratie sollten sich alle an die Gesetze halten, wer das nicht tut, begeht eine Straftat, die strafrechtlich geahndet werden kann. Nur weil Einzelne in den letzten Wochen die Grenzen des friedlichen Protests überschritten haben, z.B. bei Farbanschlägen auf Geschäfte oder beim Einwerfen von Fensterscheiben, muss man nicht alle Bürgerinnen und Bürger aus Linden-Limmer unter Generalverdacht stellen und sie ermahnen, die rechtsstaatlichen Grundregeln zu befolgen. Der Antrag der CDU erscheint uns in diesem Sinne als eine völlige Überreaktion auf die erwähnten Vorkommnisse, die natürlich auch nicht von Bündnis 90/ Die Grünen gutgeheißen werden. Auf der anderen Seite ist der Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen der Antrag der CDU nicht differenziert genug und er scheint auch in der Absicht eingebracht worden zu sein, jede Form des zivilen Ungehorsams zu diskreditieren. Das wollen die Grünen nicht unterstützen, denn es mag Situationen geben, in denen es Einzelnen oder Gruppen notwendig erscheint, gegen rechtliche Normen zu verstoßen, weil nur so auf öffentliche Missstände aufmerksam gemacht und Bürger- und Menschenrechten durchgesetzt werden können. Ziviler Ungehorsam ist aus Sicht der Grünen ein wichtiges Element direkter Demokratie. Die Entscheidung zu einem Akt zivilen Ungehorsams ist eine Gewissensentscheidung und damit von jedem selbst zu treffen. Kommt es in diesem Zusammenhang zu einer Strafanzeige, müssen die Gerichte klären, was höher zu bewerten ist, z.B. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe oder das Recht auf freie Meinungsäußerung. In den letzten Wochen wurde gerade von Seiten der CDU immer wieder gefordert, dass sich die Bezirksratsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen von einem ihrer Mitglieder distanziert. Diesem wird vorgeworfen, an Aktionen der Kampagne AHOI beteiligt gewesen zu sein und dabei auch zu Mitteln des zivilen Ungehorsams gegriffen zu haben. "Diese Distanzierung von Steffen Mallast hat und wird es von uns nicht geben" so Dr. Silke Kleinhückelkotten, grüne Fraktionsvorsitzende im Bezirksrat. "Jede und jeder hat das Recht zu zivilem Ungehorsam, wenn es für sie oder ihn aus Gewissensgründen geboten erscheint."

Die Befassung mit dem Antrag wurde von der grünen Fraktion auch abgelehnt, weil in der Begründung des Antrags Rechtsüberschreitungen einzelner mit den Verbrechen eines Unrechtsregimes gleichgesetzt werden. Dies ist aus Sicht der grünen Fraktion nicht nur völlig unverhältnismäßig, sondern stellt auch eine Verharmlosung der grausamen Verbrechen totalitärer Systeme dar.

Der aus den genannten Gründen eingebrachte Antrag auf Nichtbefassung erhielt im Bezirksrat eine Mehrheit, erreichte aber nicht die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit, da die SPD mit der CDU dagegen stimmte. Die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen hält eine Resolution für gewaltfreien Protest zwar nicht für notwendig, will sich als größte Fraktion aber auch nicht den Wünschen der kleineren Parteien verschließen und wird deshalb einen Vorschlag für einen interfraktionellen Antrag vorbereiten. Silke Kleinhückelkotten kann aber Zweifel nicht verhehlen: "Ob die Resolution dann von allen Parteien getragen wird, ist aber nicht sicher, da die Vorstellungen von angemessener politischer Partizipation auf Seiten von CDU und SPD einerseits und der Bezirksratsmehrheit andererseits weit auseinander zu liegen scheinen".

Linden-Limmer ist ein lebendiger Stadtbezirk, in dem Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen leben und sich sowohl für ihre eigenen Ideen und Interessen als auch für das Gemeinwohl einsetzen. Gerade diese Vielfalt und die aktive Partizipation der Bürgerinnen und Bürger in Fragen, die das Miteinander im Stadtbezirk betreffen, machen Linden-Limmer aus. Wir, die grüne Fraktion im Bezirksrat Linden-Limmer, begrüßen diese aktive Beteiligungskultur ausdrücklich und wünschen uns, dass sich alle hier lebenden Bürgerinnen und Bürger aktiv und in friedlicher Form einbringen. Wir sehen uns auch in der Pflicht, hierfür noch bessere Möglichkeiten zu schaffen.