Gentrifizierung - die Suche nach der Lösung

  • Veröffentlicht am: 31. Dezember 2012 - 18:47

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Limmerstraße vorher, Foto: Bernd Schwabe, Wikipedia

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Ratsfrau Katrin Langensiepen, Kandidatin Hannover-Linden

In der Reihe Stadtteildialog diskutieren die Grünen Linden-Limmer am 10. Januar 2013 über Wege aus der Gentrifizierung. Hier ein paar vorbereitende Infos.

[pic1]Linden-Limmer entwickelt sich. Niemand wünscht sich etwas anderes. Aber: Wir müssen aufpassen, dass uns der Erfolg nicht zum Verhängnis wird. Denn mit der Qualität und Attraktivität unseres Stadtbezirks steigen auch die Mieten. Eine Verdrängung der Alteingesessenen ist die Folge. Ausgerechnet jene, die den speziellen Charme und Charakter unseres Stadtbezirks ausmachen müssen gehen. Sogar Geschäfte hat es schon erwischt.

Linden-Limmer nicht den Spekulanten überlassen

Wir verstehen und unterstützen den Widerstand, der sich entwickelt. Ganz gewiss aber unterstützen wir keine Gewalt. Wer etwas anderes unterstellt oder suggeriert, trägt die tatsächliche Verantwortung für die Eskalation. Denn tatsächlich bedeutet Gentrifizierung Gewalt, Gewalt gegen Menschen, ihre Wurzeln und Geschichte.

Die Grünen Linden-Limmer wollen in einer Diskussionsrunde ausloten, welche Möglichkeiten des Widerstandes gegen die Verdrängung und welche Alternativen es zur Gentrifizierung gibt. Eine Möglichkeit ist vielleicht eine konsequente Anwendung des Denkmalschutzes. Beim aktuellen Stein des Anstoßes, der Bio-Filiale in der Limmerstraße 3-5 wurde er scheinbar sträflich vernachlässigt. Jedenfalls haken wir hier energisch nach.

Wie können wir Widerstand organisieren?

Wie können wir uns noch gegen Gentrifizierung wehren? Das wollen wir in unserer Diskussion am 10. Januar 2013 zusammen mit Experten herausfinden. Jede und jeder ist eingeladen, eigene Ideen und Erfahrungen einzubringen.

http_://www.gruene-hannover.de/stadtteilgruppen/linden_limmer/termine/10-01-2013... alle Details zum Termin.]

Linden-Nord ist erst der Anfang

Linden-Nord ist im Moment "nur" der Brennpunkt der beginnenden Gentrifizierung. Tatsächlich betrifft diese Gefahr ganz Hannover. Auch im Rat der Stadt wurde das Problem schon diskutiert. Leider leugnen einige Politiker noch immer die Gefahr. Zur Einstimmung hier noch mal der Redebeitrag unserer Ratsfrau Katrin Langensiepen zur Situation des Wohnungsmarktes und der steigenden Mieten in der Aktuellen Stunde des Rates am 18.10.2012.

http://www.katrin-langensiepen.de/[Katrin Langensiepen ist Direktkandidatin für den Wahlbezirk 26 Hannover-Linden bei der Landtagswahl Niedersachsen am 20. Januar.]

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Steigende Mieten und steigende Nachfrage – Hannover braucht dringend bezahlbaren Wohnraum

Die Erkenntnis ist da, dass Hannover bezahlbaren Wohnraum braucht, das ist aber im Bund und Land haben noch nicht angekommen… so würde ich das Thema mal zusammenfassen wollen.

Besonders in Niedersachsen mit dem berühmten Charakteristikum „Flächenland“ leidet Hannover, leiden die Menschen in Hannover am meisten vom Verstauben der beunruhigenden Daten auf den Schreibtischen von Landes- und Bundespolitiker_innen.

Bis 2025 rechnen Fachleute für Hannover mit einem Zuwachs von 12.000 Einwohner_innen auf dann ca. 527.000 Menschen (+2,3%).

Hier gilt es, die gesunde Mischung zu fördern. Eine gesunde Mischung der Quartiere, ein Nebeneinander von Jung und Alt, von Familien- und Singlehaushalten und auch eine gesunde Mischung des Geldbeutels. Da aber der Druck in den letzten Jahrzehnten auf dem Wohnungsmarkt nicht mehr so stark war, wurde verschlafen, dass sich das auch wieder ändern kann – und es ändert sich gerade.

An wen kann man sich nun wenden? Soll die Stadt Hannover neu bauen – mit Eigenmitteln? Hannover hat allerdings auch bei schwacher Haushaltslage nie aufgehört, in sozialen Wohnungsbau zu investieren, für 2012 unter Einsatz von 4,8 Mio EUR.

Nein, die großen Stellschrauben zur Regulierung liegen woanders, in Bund und Land, wo schwarz-gelb an ihrem Vertrauen in den Markt klebt wie die Fliegen am Leimring.

Eine soziale Wohnungspolitik ist nur gegen die Marktlogik durchzusetzen, kommentiert Andrej Holm von der Humboldt-Universität Berlin, und er sagt weiter: solange in den Städten Grundstücke und Wohnhäuser weiter zum Höchstpreis gehandelt werden, solange Sozialwohnungen nach Ablauf der Förderphase zu Marktpreisen vermietet werden dürfen und solange Mieterinnen und Mieter nahezu ungeschützt mit den Modernisierungsumlagen von energetischen Sanierungen konfrontiert werden, wird jedes Neubauprogramm zum berühmten Tropfen auf dem heißen Stein.

Immer den Höchstpreis nehmen, das Angebot bestimmt die Nachfrage- für den quartiersbezogenen Wohnungsmarkt heißt das Segregation. Hainholz, ein Stadtteil der in allen Einschätzungen zu Qualitätskriterien wie Einkaufsmöglichkeiten, Schulen oder Spielplätze unter dem Stadtmittel liegt, hat dann auch den größten Leerstand. Soll man jetzt sagen, Arme, zieht doch nach Hainholz? Das finde ich überhaupt schwierig, Menschen zum Umzug zu zwingen, zum Beispiel durch umlagenbedingte Mietsteigerungen, oder durch den Sturz in Hartz IV. Für viele bedeutet es, soziale Kontakte und besonders schlimm: das Gefühl, keine Selbstwirksamkeit zu haben, das heißt, keine Kontrolle über sein Leben mehr erlangen zu können.

Alle Berichte wie auch die Hannoversche kleinräumliche Wohnungsmarktbeobachtung zeigen, dass der Wohnraum allein für die Menschen nicht entscheidend ist: Das Quartier ist entscheidend, wohnen dort meine Freundinnen und Freunde, kann ich auf den Wochenmarkt, ist die Schule gut. Wenn es dann aber so ist, dass, je besser ein Quartier wird, nach Marktlogik die Mieten steigen und Finanzschwache wegziehen müssen, in ein Quartier mit schlechteren Bedingungen…. Tja, das ist ein klassischer Teufelskreis.

Hier nur ein paar Beispiele für das Versagen der schwarz-gelben Bundes- und Landespolitik, den Teufelskreis zu durchbrechen:

Es ist ein Fehler, dass Belegrechte für finanzschwache Familien zurückgehen. 100.000 Wohnungen fallen in Niedersachsen jährlich aus der Sozialbindung, Grüne haben beim Wohnraumförderungsgesetz dafür plädiert, Sozialbindungen zu erkaufen.

Es war ein Fehler, dass sie Mieterinnen und Mieter bei der Umlage der Kosten von energetischen Sanierungen nicht stärker schützen. Wir fordern: Das Mietrecht muss eine Begrenzung der Umlagekosten auf 9 statt 11 Prozent sichern. Denn unser Ziel ist die warmmietenneutrale Sanierung.

Es war ein Fehler, die Mittel im Sanierungsprogramm Soziale Stadt zurückzufahren. Erst wenn alle Stadtteile möglichst gleich gut sind, können Segregationseffekte aufgefangen werden.

Es ist ein Fehler, dass die Landesregierung- seit über 5 Jahren zuständig für die Wohnraumförderung – erst 4 Monate vor der Landtagswahl eigene Mittel in die Hand nimmt, 10 Millionen…. Dass das nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, ist allen klar. Diese Mittel würden gerade mal für die Förderung von 200 Wohnungen reichen – in ganz Niedersachsen. In der taz vom 10.9. steht: Das Sozialministerium selbst geht von einem Bedarf von 151.000 neuen Wohnungen bis zum Jahr 2030 aus. „Das ist ein Anfang“, findet Özkans Sprecher Thomas Spieker. „Wir setzen einen Anreiz.“ Nun seien die Kommunen und die Wohnungswirtschaft am Zuge. Anmerkung von mir: Hannover gibt bereits knapp die Hälfte der 10 Mio der Landesregierung dazu! Wir brauchen keine Anreize, wir brauchen Wohnraum!

Wir fordern von Bund und Land:

- Langfristige Sozialbindungen im Wohnraumförderungsgesetz.

- Warmmietenneutrale energetische Sanierungen.

- Weiterführung Soziale Stadt in unveränderter Höhe.

- Mehr Landesmittel für die soziale Wohnraumförderung.

- Konzentration der Förderung auf Menschen, die sie auch nötig haben!

- Nicht das Problem auf die Kommune abschieben!!!!

Wir brauchen also eine Wohnungspolitik, die komplex denkt und komplex handelt. Schwarzgelb ist dazu nicht in der Lage.